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Dazu zwei Hörproben, bitte  sehr:


Wasser und Blut.mp3



Punk ist tot.mp3





Das West-Yorkshire Team und KWDR, v.l.n.r.: Stefan (Gesang/Gitarre), unsere liebste Gastgeberin Jac, Mathias (Bass), unser Aufnahmekoordinator und Lieblingsgastgeber Bar, Jan (Schlagzeug), Peter (Saxophon/Trompete) und Nordenglands bester Mischer John. 



...von Schlaffke Wolff - aka ZWAKKELMANN - dem wir aus Anlass seines Flensburger Konzerts (27.Februar 2009, Hummels Eck) gleich mal ´ne Vorab-CD aufnötigten, ist folgendes zu vernehmen:

"...bevor ich`s vergesse, bestell mal Matze (so heißt er doch, oder?), dass ich die KWDR-CD klasse finde. Hab gestern reingehört. Geht schön nach vorne los! Ich find´s auch supa, wenn sie so `n bisschen abdrehen. Auch das Saxophon gibt dem Ganzen `nen eigenen Sound. Texte und Titel ("300 Protestsongs gegen alles" - genial!) wissen ebenfalls zu gefallen."

Was ich noch im Netz gefunden habe und Euch nicht vorenthalten möchte, ist Bar Bowens (Bild oben) Tourtagebuch von seiner und Jim Sputnigs "Still Revolting Tour" Ende 2008 durch Holland-Deutschland-Dänemark (komplett unter http://blogs.myspace.com/index.cfm?fuseaction=blog.ListAll&friendID=155487510 ). Bei seiner Ankunft in Hamburg hatte er den von uns sehnlichst erwarteten zweiten, finalen Mix unserer Aufnahmen dabei.

 
"Still revolting' Tour diary (Aalborg-Hamburg 29-30 October 2008)

…However, other plans were already in place for me, and one of the most important jobs of my trip remained to be done before (or in conjunction with) the serious business of drinking and dancing: namely, the delivery of the greatly anticipated Kein Wort der Reue CD. I should explain that Kein Wort Der Reue (KWDR) are a bunch of forty-something blokes from Hamburg who make beautiful, noisy, intelligent, aggressive German-language punk rock music. In June 2008 they came to Huddersfield to my house for a week of recording a DIY album of ten songs in my cellar. A heavy week of rock 'n' roll, computer stress, huge dinners, gallons of homebrew and even the inaugural Mathias Bierfest ensued. Since their departure (on the 7th June) my mate John (with a little help from me) has been mixing, matching, mangling and manipulating the raw material into a stonking set of 10 songs for the unsuspecting Anglo-German market and beyond. Of course, the band (Mathias, Jan, Peter and Stefan) are to be allowed a small say in the final product too, and so my task was to deliver Mix 2 (Oct 08), for listening, critique, conflict and approval. As Brian Clough would have it, I was aiming for a 20-minute open and honest discussion, after which they would all agree with me. If only emulating Brian were that easy…

Eventually, Stefan and I walked round to Mathias's flat, had a bottle of beer thrust into our hands, and we listened to the KWDR CD at least twice through without annoying the neighbours too much before Jan and eventually Peter arrived. The feeling was one of general approval (in fact, I think it's brilliant) but there still remain criticisms about the power of the bass and drums ('It's not powerful enough for a punkrock album!'). I will let you know when the finished product finally escapes for general consumption, so you can add your ha'porth to the debate. Just remember, it's brilliant!"



KWDR vs HUDD´ -  Album Recording Diary

Am Sonnabend, den 31.Mai 2008  geht es endlich los. KWDR treffen sich vor ihrem Proberaumbunker im Stadtteil...äh, ich  kann´s  mir  einfach nicht merken, eines dieser etwas besseren, sehr bürgerlichen Viertel nördlich der Alster, gepflastert mit Luftschutzbunkern aus den 40ern. Die Lage ist  natürlich  nicht  besonders proletarisch und mindert ganz erheblich die Street Credibility der Band, hat auf der anderen Seite aber den Vorteil, dass man sowohl  den Bunker als auch den Raum selbst abschließen kann, was die Wahrscheinlichkeit vollständiger instrumentaler Obdachlosigkeit durch Diebstahl nahezu  ausschließt. Wie auch immer, unsere Vier laden die beiden Kombis mit dem nötigen Equipment voll: komplettes  Schlagzeug, Gitarrenamp und Box, diverse Mikros, Blasinstrumente aller Art, ebenso Bass und Gitarre  nebst mehreren hundert Metern Strom-, Mikro- und Gitarrenkabeln, Ersatzsaiten etc. etc.

Peter und Stefan starten mit dem Modernomobil, Peters Firmenwagen, ausgestattet mit Navigationssystem, Einparkhilfe, Ionenantrieb, Pool auf dem Oberdeck und eingebauter Vorfahrt.

Im aufgewirbelten Staub deren durchdrehender Reifen schieben Jan und Mathias Jans Antikomobil, seinen Privatwagen, versehen mit Innen- und Außenspiegeln, Cassettenrecorder und verstellbaren Sitzen zur nächsten abschüssigen Stelle. Von dort starten auch sie, verfahren sich allerdings, ein temporärer Aussetzer des humanoiden Beifahrer-Navi, schon auf dem Weg zur Autobahnauffahrt.

Der autobahne Weg ins Holländische gestaltet sich ausnehmend ereignislos für die beiden Racing-Teams, die sich nach Siebzehn (Team Jan-Mathias) und Null (Team Peter-Stefan) Zigarettenpausen kurz vorm Grenzübertritt in die  Niederlande nahezu zeitgleich auf einem zur Boxenggasse umgebauten Autohof , dessen Namen ich selbstverständlich vergessen habe, einfinden.

Die wilde Hatz endet schließlich, mit dem denkbar knappen Vorsprung von fünf Autolängen,  des Teams Melodie vor dem Boliden des Teams Rhythmus auf der Zufahrt zur Englandfähre. Nach ein paar Ohrfeigen vom Käpt´n  wegen eines spontanen Synchron-Doppel-Burnouts auf dem Autodeck und der Erkenntnis, dass es sich bei dem Duty-Free-Shop des Schiffes offensichtlich um eine angelsächsische Variante des schwedischen Systembolaget handeln müsse, inspizieren beide Duos ihre Nachtquartiere.

Danach trifft man sich in der Bar, oder auch Lounge, wie die Reederei die Ansammlung  abgewetzter Cord- und Kunstledersessel nebst etwas knapp bemessener, maximal drei Pintgläser fassender Tische zu nennen pflegt. Diverse  Runden Boddingtons-Bitter werden bestellt, geholt und inhaliert. Und gegen Null Uhr geht das  Licht aus. Bei unseren Helden.

Man begibt sich, je nach Gusto und bestellter Unterbringungsart, wahlweise in seine halbwegs geräumige, zwei-Betten-nebeneinader-mit-nahezu-geräumiger-Dusche Kabine oder man betritt seine persönliche klaustrophobische Hölle (ja, selbstverständlich hätten Jan und Mathias auch mit Blick aufs Meer schlafen können - sie waren lediglich zu geizig. Naja, sagen wir: pleite!) .

Der nächste Morgen (Sonntag, 1.Juni 2008) beschert Mathias eine viel zu frühe Frühstückszigarette auf dem regnerischen Deck, Jan etwas Schlaf ohne Mathias´ Schnarchen. Peter ein entspannt-lautstarkes Geschnorchel, was wiederum Stefan den letzten Nerv raubt.

Jedenfalls finden sich alle gegen neun, kurz nachdem die schiffsweite Weckdurchsage ertönt, in Peters und Stefans Außenkabine ein. Mathias bietet homemade Kottlets (und das ist ja schon mal nix für Jan, den alten Salatkiller) an, und belegte Brötchen vom Penny-Markt, die auch vor 24 Stunden schon pappig waren. Alle täuschen Appetitlosigkeit vor, außer Mathias, bei dem dann, beim gemeinsamen Frühstück im Speiseraum nur noch der Kaffee reinpassen will. Alle anderen schlagen zu.

 

An diesem Morgen sind unsere Helden ein klein wenig wortkarg und graugesichtig, was, glaubt man den Untersuchungen namhafter Forscher, den Nebenwirkungen der populären Boddington-Medizin  zu verdanken ist. Anfangs denken die vier, irgendeine eben dieser Nebenwirkungen hätte ihnen den Blick auf die Straße vernebelt bis sie ein Großaufgebot der englischen Autobahnpolizei unter Ausstoßen übelster, allerdings nahezu unverständlicher Flüche auf die gegenüberliegende Fahrbahn abdrängt. Dort bleiben sie vorläufig, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, was ihnen gelingt.

Knappe neunzig Minuten später fahren sie über knirschende Kieswege die Auffahrt zu einem herrschaftlichen Anwesen hoch, das sich harmonisch an die sanften Huddersfielder Hügel schmiegt. 

Langsam nur steigen sie aus, blicken sich wortlos und mit verwunderten Blicken an und greifen jeder ein Glas von einem Tablett, das ein herbeigeeilter Butler ihnen hinhält. Er verbeugt sich leicht und weist mit der freien, weißbehandschuhten Hand in Richtung des säulenumrahmten Portals des beeindruckenden Hauses.

Nachdem sie sich auf den ledernen Kanapees im Rauchsalon niedergelassen und zwei der umherstehenden Kristallkaraffen geleert haben, betreten vier Herren in braunen Tweedanzügen den Raum. Sie sind von ausgesuchter Höflichkeit, erkundigen sich nach dem werten Befinden und dem Zweck der Reise der vier Herren aus Deutschland. „To record the fuckin´ best  punkrock album ever” irritiert sie als Antwort nur sehr unmerklich, allerdings verlässt einer der Gentlemen den Saal, um kurz darauf zusammen mit dem Butler wieder einzutreten, der in diesem Moment kein Tablett trägt, sondern zwei Hundeleinen hält, an denen zwei Dobermannrüden unentspannt zerren.

„Good Bye, Gentlemen!”

Dem ist nichts hinzuzufügen und so verlassen unsere Vier fluchtartig diesen eben doch noch so gastlichen Ort , springen in ihre Wagen und rasen vom Grundstück. Aus Peters Auto fliegt in hohem Bogen das Navigationssystem auf den englischen Rasen, wo es liegen bleibt und dort immer noch wiehernd lachende Geräusche von sich gibt, als beide Fahrzeuge längst kilometer-, pardon, meilenweit weg sind.

Bars Anwesen ist eine Winzigkeit bescheidener gehalten. Allerdings genau betrachtet erheblich gastfreundlicher. Zur Begrüßung wird ein erstes Yorkshire-Bitter-Homebrew gereicht. Nun , es ist schließlich schon fast später Vormittag.

Anwesend sind zu diesem Zeitpunkt außer KWDR: Bar, der Herr und Jac, die Dame des Hauses und John, ein Freund der beiden, der den Part des technischen Leiters übernommen hat, da alle anderen Beteiligten maximal minimale Checkung von der Materie vorweisen können. Kurz nach der Begrüßung, dem Überreichen der Gastgeschenke und ersten Versuchen, sich auf eine Möglichkeit der gemeinsamen Kommunikation zu verständigen, wobei man sich schnell auf Kauderwelsch einigt, erklärt John, es seien noch einige geringfügige technische Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, Jan könne ja in der Zwischenzeit schon mal seine Trommeln im Keller, dem Aufnahmeraum, platzieren, aber lange könne die ganze Angelegenheit auf keinen Fall mehr dauern. Jan tut, wie ihm geheißen und auch alle anderen bringen ihre Verstärker, Instrumente und die schon erwähnten mehreren hundert Meter Kabel in den umgebauten Bierkeller von Bars Haus, einer ehemaligen Kneipe. In der Tradition der Lokalität findet man sich danach wieder in der Küche zum weiteren Homebrew-Testing und zu Über-Gott-und-die-Welt-Gesprächen ein.

Bar pendelt die ganze Zeit zwischen der Küche und der improvisierten Tontechnik-Zentrale vor der Tür zur Kellertreppe hin und her, John seinerseits sitzt ebendort die ganze weitere Zeit und versucht mit stoischer Geduld, die eventuell doch nicht ganz so minimalen Probleme in den Griff zu kriegen. Derzeit ist ein zügiger Beginn der Schlagzeugaufnahme nicht in Sicht.

Die Zeit wird mit Homebrew, Unterhaltungen über die Fahrt, Homebrew, Unterhaltungen über Sport, Homebrew und, unter anderem, Unterhaltungen über Homebrew totgeschlagen. Gelegentliches vorsichtiges Nachfragen an der Technikfront wird im Laufe der Zeit seltener. Und sparsamer beantwortet. Am späten Nachmittag erklärt ihnen John, der sich nach Stunden mal wieder in der Küche sehen lässt, so hätte das im Moment keinen Zweck, das Programm, das sie zuvor erfolgreich getestet hätten, würde aus ihm unerklärlichen Gründen nicht laufen. Alle gucken ihn enttäuscht an. Das sei aber jetzt blöd, na ja, mal sehen, vielleicht, wenn man mal bei der Reederei nachfragt, vielleicht kann man ja auch an einem früheren Termin... NeinNein, erklärt John, das sei noch nicht das Ende der Fahnenstange (the end of the flag mast). Er würde jetzt einfach eine andere Software installieren, er hätte die als Shareware hier, und sie sollten nur ein wenig Geduld haben. Vor Geduld schon ziemlich angesäuselt, alle bis auf Jan, fügen sie sich in das Unvermeidliche und diskutieren bei ein paar von Bars überaus leckeren Bieren aus eigener Herstellung eine Straffung des Aufnahmeablaufs oder eine Verringerung der Anzahl der aufzunehmenden Lieder.

Endlich, draußen ist es schon seit langem stockfinster, gibt das technisches Direktorium sein OK!

Zur Mikrophonierung.

Eilig werden die Ständer an die entsprechenden Stellen geschoben, schnell noch ein paar Löcher in die Kellerdecke gebohrt, um die Overheadmikros aufzuhängen oder Kabel umzuleiten, Möglichkeiten ausprobiert, um Jans Kopfhörer bombenfest mit seinem Haupt zu verbinden, na, was eben alles so gemacht werden muss.

Es kann losgehen, Jan ist sowieso unten und Stefan leistet ihm als Pilot der Pilotgitarre Gesellschaft. John, Bar, Peter und Mathias scharen sich um das Mischpult am oberen Ende des Kellerabgangs, wobei der geringe Platz dort dem Wort „scharen“ eine mehr reihenartige Bedeutung verpasst. Außerdem teilen sich die Anwesenden den engen Durchgang noch mit dem mehrere Hektoliter umfassenden Bar-Brew Lager.

Die beiden Kellermusikanten machen ihre Sache recht gut und kommen zügig voran, werden allerdings von den pedantischen Oberflächenbewohnern hier und da gezwungen, Songs mehrfach zu spielen. In erster Linie wegen irgendwelcher eingebildeten, angeblichen Ungenauigkeiten, die sich doch sowieso beim Abmischen locker korrigieren ließen.

Um vier Uhr morgens, und dieser letzte Abschnitt verging für alle Beteiligten extrem schnell, ist das Schlagzeug im Kasten.

John erklärt den vier Krauts noch schnell, wie sie dann ab morgen, Montag und er hat keinen Urlaub gekriegt und wohnt zwei Autostunden entfernt, die Sache mit dem Aufnehmen machen müssen. Dabei bedient er sich gewandt einer beeindruckenden Geheimsprache, wie sie so wohl auch in der Astrophysik und verwandten Bereichen gepflegt wird. Manches davon wird sich gemerkt, man glaubt, die grobe Richtung erkannt zu haben und so schwer wird’s schon nicht werden. Außerdem ist er ja am Donnerstag schon wieder da, wenn der Gesang gemacht werden soll.

Der Anfang ist gemacht, alle wollen so schnell wie möglich ins Bett, John auch. Aber der hat noch bis York zu fahren. Komm gut hin!

Licht aus. Gute Nacht Pa! Gute Nacht John-Boy!

Montag, 2. Juni. Aus tiefem Schlaf erwachen K, W, D und R in einem menschenleeren  Haus im hohen Norden Englands. Es gibt Kaffee für alle, um Chancengleichheit für den folgenden Wettkampf Wer-geht-zum-Supermarkt-obwohl-es-wie-aus-Eimern-schüttet sicherzustellen. Jan verliert. Es gibt Eier und Joghurt, Marmelade und Crumpets, wobei es sich um eine kleine, flache, runde Scheibe aus gefärbten Styroporkügelchen handelt, die sich hervorragend mit Margarine bestreichen lässt. Erstaunlicherweise verdaut der menschliche Organismus dieses Material auf britischem Boden recht gut, während dieselbe Malzeit, auf kontinentalem Grund zu sich genommen, dem Magen-Darm-Trakt erhebliche Schwierigkeiten bereitet.

Nach Frühstück, Frühsport und einer ausgiebigen Morgenkosmetik, man ist immerhin keine siebzehn mehr, ist es Zeit, sich wieder dem eigentlichen Zweck der Reise zu widmen. Nein, geneigte Leserin, geneigter Leser, es werden nicht die ersten Yorkshire-Bitter in Angriff genommen sonders es zieht unsere Vier in Richtung Aufnahmekeller. Besonders Stefan, der heute die Gitarre einspielen soll. Derweil sich der Genannte im Keller mit Verstärker und Instrument beschäftigt, lässt sich Mathias oben in der Aufnahmezentrale von fremdklingenden Begriffen wie AD/DA-Wandler, Threshold oder Compression vollends verwirren und es will partout nicht gelingen, den Kopfhörer mit so viel Lautstärke auszustatten, dass Stefan im Keller zum schon aufgenommenen Schlagzeug spielen kann, weil er es einfach nicht hört.

Zur selben Zeit lenkt Peter das Modernobil durch die breiten, zum Teil sechsspurigen Straßen Huddersfields, um beim lokalen Elektrohandel nach einem ganz bestimmten Audioadapter Ausschau zu halten.

Laut Aussage des Verkäufers könne man ja nie wissen, rechtfertigt er sich ungefragt unter den missbilligenden  Blicken der anderen drei, die mehr als neugierig den riesigen Karton, mit dem er zurückkehrt durchwühlen, ob die EU vielleicht schon morgen eine noch höhere europaweite Netzspannung beschließen würde und dann hätte er vorsichtshalber noch diesen, er könne das jetzt nicht wortwörtlich übersetzen, in etwa Querfeldein-Widerstandswandler mitgenommen. Aber das beste, was er gefunden hatte, und das gäb´s ja eigentlich nur für extrem teuer Geld aus den Staaten, er hätte aber vom Händler, sozusagen unterm Tisch, noch eins davon als, inzwischen verbotenen, chinesischen Import bekommen.

Seine bebende Stimme wird plötzlich sehr leise und als alle ihre Köpfe zusammenstecken, flüstert er ehrfurchtsvoll: Den Punkrockadapter!

Alle sehen sich mit riesigen Augen an. Also, dass ausgerechnet die Chinesen...na ja, werden schon wissen, was...

Das Teil wird eingebaut - auf der Stelle fällt der Strom aus. Anerkennende Blicke aus allen Augen: das ist echt Punkrock, Alter!

Etwas weniger Punkrock, zumindest fürs erste, führt dann, nach nur vier Stunden technischen Problemen, gepaart mit übermenschlicher Unfähigkeit, dazu, dass Stefan die Gitarre einspielen kann.

Das geht zügig und hapert an nur wenigen Stellen, die letzte Nacht der alkoholbedingten Unaufmerksamkeit zum Opfer gefallen waren. So vermisst Stefan beispielsweise an ein-, zwei Stellen Durchzähler: Taktschläge mit den Drumsticks, an Stellen, wo das Schlagzeug nicht spielt und die nachträglich gelöscht werden. In gemeinschaftlicher, konzentrierter Arbeit wird ein konstanter Phasen-Pausen-Logarithmus hergeleitet, der, immerhin auf acht Stellen hinter dem Komma genau, einen Annäherungswert theoretisiert. Nachdem der Computer wegen derart anstrengender Betätigung mit einigen Eimern Eiswasser auf Betriebstemperatur zurückgekühlt worden ist, kann Stefan mit diesem Wert im Hinterkopf weitermachen. Das tut er und am noch gar nicht so späten Abend ist die Gitarrenspur im Kasten. Inzwischen ist der Hausherr vom Broterwerb heimgekehrt, hat Peter, Stefan und Mathias große Gläser Bar-Brew und Jan ein Paar Stollenschuhe in die Hand gedrückt und ihn aus dem Haus gezerrt. Als die beiden nach Stunden zurückkommen sind sie nicht wiederzuerkennen. Braun und grau vor Matsch (zur Erinnerung: es regnet seit Sonntag fast pausenlos), medium-verbeult und bester Laune. Und, ähhh, stocknüchtern. Das bleibt selbstverständlich nur ein vorübergehender Zustand und im Zuge des restabendlichen Palavers gesteht Jan, kein einziges Tor für Deutschland geschossen zu haben.

Was soll man dazu sagen?

Gute Nacht Bar! Gute Nacht Jan-Boy!

Dienstag, 3.Juni. Der Tag beginnt mit der freiwilligen Meldung von Stefan, zum Supermarkt zu gehen. Allgemeines Erstaunen. Hat es aufgehört, zu regnen? Mitnichten! Neben Eiern, Marmelade und Crumpets fördert das Frühstück dieses mal allerdings eine andere Joghurtsorte zutage. Mit mehr als ausreichend Kaffee oder, der Assimilierungsprozess hat längst eingesetzt, Tee im Magen bewegt man sich in die Aufnahmeörtlichkeiten. Stefan ans Mischpult, Peter mit Buch daneben und Mathias mit Bassgitarre in die Kellergewölbe. Jan versucht sich derweil als Dokumentarfilmer, indem er sich seinen Camcorder schnappt und end- und gnadenlos auf alles draufhält, was ihm vor die Linse kommt, und sei es auch nur ein noch so unwichtig erscheinendes Detail. Der Inhalt der ersten drei Kassetten ist ernüchternd: Bilder von technischen Problemen, verwirrter Kabelaustauscherei, nicht enden wollendem Knöpfedrehen, gelangweilten Bassisten und Peter, der mit einem riesigen Karton durch die Haustür eintritt und Männern, die sich interessiert über den Inhalt hermachen und dabei anerkennende Laute ausstoßen. Kein Punkrockadapter diesmal, dafür ein Superior-Hardcore-Bass-Resistor. Todsichere Sache, hätte der Verkäufer gesagt, und natürlich unbedingt notwendig, um das beste Punkrockalbum aller Zeiten aufzunehmen. Natürlich wegen der humorlosen EU-Wettbewerbsgesetze normalerweise verboten, aber da er zufälligerweise noch einen unterm Ladentisch... Peter kann die Masse der ihm gereichten Champagnergläsern kaum halten. Alle küssen ihn auf die Wange. Der Strom fällt aus. Als das Licht wieder angeht, hat sich Peter vor der Masse der nach ihm geschleuderten Elektrokleinteile in der Küche verbarrikadiert und erscheint, leicht zerknirscht und bandagiert erst eine halbe Stunde später wieder im Aufnahmebereich. Erwähnenswert ist, dass mit der Kleinigkeit von nur vier Stunden technischer Vorbereitung, die Bassaufnahmen beginnen können. Weiterhin erwähnenswert ist, dass Mathias während der kompletten Zeit in den Aufnahmegewölben jede Art alkoholischen Dopings strikt ablehnt. Dementsprechend reagiert er minimal unentspannt, als Doku-Filmer Jan bei dem für Mathias schwierigsten Lied, beim inzwischen 38.Versuch, nach Bitte-Ansage-Beleidigung-Rauswurfdrohung immer noch die laufende Kamera auf ihn richtet. Es folgt die unvermeidlich-ultimative Variante Anbrüllen, die schließlich Wirkung zeigt. Jan hetzt die Treppen hinauf und keine drei Augenblicke später sind die restlichen sechs Songs eingespielt und abgesegnet. Schweißgebadet erscheint Mathias an der Oberfläche, lässt sich die Hände verbinden und mit Homebrew abduschen, während Bar mit einem Handtuch vor ihm herumwedelt und zu einer Ansprache anhebt. Er räuspert sich vernehmlich, alle Augen richten sich auf ihn. Die Ansprache wird sehr kurz. „Hiermit erkläre ich das MathiasBierFest2008 für eröffnet!“ Dem Namensgeber dieser spontanen Festivität werden in der nun folgenden Eröffnungszeremonie kurzerhand mehrere Gallonen selbstgebrauten Trunks eingeflößt, was dieser würdevoll, sich seiner besonderen, kulturübergreifenden Verantwortung sehr wohl bewusst, erträgt. Als er wieder zu sich kommt, befinden sich alle schon zuvor Anwesenden auf dem Weg zur Bushaltestelle. Seiner Bitte, selbst gehen zu dürfen und nicht weiter an den Füßen gezogen zu werden, wird entsprochen, auch weil Stefan und Peter schon etwas außer Atem sind. Die Haltestelle kommt in Sicht. Warum hat Bar seine Akustikgitarre mitgenommen? Man versucht, mit geringem Erfolg, den Fahrplan zu deuten, Bar holt seine Gitarre aus der Stofftasche und stimmt ein Lied an. Ein Lied, sein neuestes, dass man, sofern noch genügend Zeit übrig ist, zusammen als Punkrocknummer aufnehmen will. Einige Takte später, nebenbei: Stefan hätte als Einziger beinahe die Struktur des Liedes begriffen, nicht, dass es ungewöhnlich kompliziert gewesen wäre, nur dachten alle anderen über ganz andere Dinge nach (Jan über einen Dokumentarfilm über den englischen Linksverkehr, Peter daran, vielleicht doch heimlich den Ultimate-Waldhorn-Booster  zu kaufen und Mathias überlegt, wie er möglichst unbemerkt den Inhalt seines Magens irgendwie in die Botanik entsorgen könnte), hält ein oranger Ford-Transporter neben ihnen an. Der Fahrer wird als Jim Sputnig vorgestellt, ein enger Musikantengenosse von Bar, der just ins Zentrum von Huddersfield fahren will und nun alle in sein Gefährt ein- und in der Nähe des Stadtzentrums wieder auslädt. Erste Station der Stadtführung ist das „Parish“, tatsächlich ein echter Punkrockschuppen, in dem das jeweilige Alter der Krauttouristen das Gesamtalter der Gäste locker hinter sich lässt. Alle nehmen ihre Boddingtons mit in den sehr zugigen, aber auch sehr angenehm gemachten Freiluft-Raucherbereich. Die Lokalität wird erst verlassen, als es niemanden mehr ohne blaugefrorene Finger gibt. Station Nummer Zwei ist ein Pub, dessen Namen Bar bis heute nicht preisgibt, egal, an besagtem Abend findet dort der „Acoustic Club“ statt. Eine regelmäßige Veranstaltung, in der Heimat des Wechselläutens normal, in z.B. Hamburg-Altona nicht ansatzweise vorstellbar, und, das interessanteste, gut besucht! Etwas wie ein JeKaMi-Abend (ältere Semester kennen das) ohne Anregung durch städtisch bezahlte Sozialarbeiter. Alle setzen sich vor die kleine Bühne oder stellen sich an die Bar. Man trinkt und sieht sich die anderen Anwesenden auf der Bühne an, wie sie selbstgemachte oder gecoverte Songs vortragen, jeder (Trio, Solo oder Duett) nur ein Lied. Es rotiert. Applaus garantiert, es gibt Novizen und Veteranen, ganz gute, richtig gute, langweilige und natürlich auch furchtbar schlechte (bisher an diesem Abend noch nicht). Nach langem Zögern und noch längerem Mutantrinken sind auch Stefan und Mathias auf der Bühne. Der einzige nicht-englischsprachige Song an diesem Abend ist Hans Albers´ „Beim ersten Mal da tut´s noch weh“ und bekommt einen exotenbonusmäßigen Applaus. Man begibt sich zurück ins Auditorium und trifft auf die äußerst gut gelaunte und grade eingetroffene Posse von Jac (wir erinnern uns: die Frau des Hauses), ein halbes Dutzend M- bis XXL-angeschüsselte Damen, die ihnen schon fast exstatisch vergnügt versichern, den ganzen Song mit ihrem Handy gefilmt zu haben; leider erweist sich dies als blanker Euphemismus und die Aufnahmen lassen sich auch unter Einsatz modernster Technik (den Ultimate-Movie-Repair-Wizard gibt Peter zurück) nicht ansatzweise nutzen. Die Bilder sind tiefschwarz und der Sound gibt die Gespräche der Tresennachbarn wieder und sonst nichts. Mit der Zeit tritt der Gewöhnungseffekt ein, die ersten Musikanten gehen zum zweiten Mal auf die Bretter und die Zuhörerschaft, die sich natürlich auch einiges zu erzählen hat, frönt dem freundschaftlichen Dialog und nimmt nur noch gelegentlich Notiz von den Darbietungen. Da öffnet sich die Eingangstür. Die Gäste werden leiser, viele Köpfe wenden sich. Hinein bewegt sich, schwer torkelnd, ein Mann nahezu undefinierbaren Alters, schwarzer fusseliger Bart, schwarze, mittellange, strähnige Haare. Er geht drei, vier Schritte in die Kneipe hinein. Ein langer Sabberfaden hängt ihm aus dem Mundwinkel. Im Gepäck hat er eine Westerngitarre, die er mit der Linken am oberen Halsende über den Boden hinter sich herschleift und eine Reisetasche über der rechten Schulter. Mit offenem Mund wirft er einen sehr, sehr langen und langsamen Blick in die Runde. Dann fällt er rücklings um. Links die Gitarre, rechts neben sich die Tasche. Stefan und Mathias, die zwei Meter weg und so am nächsten sitzen, sehen sich überrascht an und sind im begriff, aufzuspringen und dem Unglückseeligen aufzuhelfen, als sie ein sanfter Händedruck auf ihre Schultern auf ihren Stühlen fixiert. Der Barmann. „Bleibt sitzen, ich kenn das...“ Er geht auf die Bühne, räuspert sich, Aufmerksamkeit einfordernd. Dann kündigt er den Gestrauchelten mit den schönsten Worten als besonderen Ehrengast an. Ruckartig setzt der sich auf. Der Sabberfaden ist immer noch da. Nach den strengen Regeln des Ministry of Silly Walks entert er die Bühne und setzt sich samt Gitarre auf einen einfachen Holzstuhl. Beinahe Totenstille. Von und zur Bühne. Der Schwarzhaarige rückt die Gitarre zurecht und schlägt einen Akkord an. Den Akkord, den er die nächsten zehn Minuten durchspielen wird. Dabei blickt er, die Augen im Kopf starr geradeaus gerichtet, in einer Geschwindigkeit, die die Erfinder der Zeitlupenwiederholung als Amphetaminjunkies hinstellen würde, langsam, von ganz links nach ganz rechts, ins Publikum. Jetzt Totenstille... Lediglich von hinter der Bar ein unterdrücktes, hysterisches Kichern. Mitten in der Kopf-beihnahe-nicht-Bewegung startet das Lied. Traurig, melancholisch, tragisch... “Warum nur, Baby, warum nur hast Du mich verlassen?“ K, W, D und R und Bar können sich selbstverständlich als eingefleischte Anti-Sentimentalisten absolut keinen Reim darauf machen und entschließen sich, zu gehen. Als erster entert Mathias die direkt vor dem Laden gelegene Fußgängerzone, um an der betoneingefassten Grünanlage noch ein gemütliches Pipi Rustique hinzulegen. Allerdings unterbricht ihn der aus dem Laden schwankende Rest seiner Sippschaft kurz vor dem doch sehr drängenden Tun mit dem gar nicht entspannten Hinweis, man brüllt ihn förmlich an, hier seien doch überall Kameras installiert und er solle zusehen, dass er sich verdrücke. Das, bei seinen Hamburger Mitmusikanten festzustellende, paranoide Verhalten auch bei seinen eingeborenen Gastgebern entdecken zu müssen, lässt ihn, nach kurzem Schulterblick und dem Erheischen von mindestens zwei Kameras, die Krakeeler doch erhören und unverrichteter Dinge das Weite suchen. Der Nachhauseweg versinkt zu einem guten Teil in den milden, und doch so dichten,  Nebeln des alkoholischen Vergessens. In Erinnerung bleibt der noch des Gehens fähigen Hälfte ein gemütlicher Abendspaziergang durch das inzwischen regenlose Huddersfield und der anderen Hälfte nix. Ach echt, mit dem Taxi?...Naja, gute Nacht Stef-Boy, gute Nacht Mat!

 

 

 

 

 

To be continued...

 

 

 

 

 


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